EFS Consulting
23.02.2024

Auswirkungen des Widerstands gegen das EU-Lieferkettengesetz

Der Gegenwind der Industrie führt zu Schwierigkeiten in der EU bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele.   

In den letzten Wochen häuften sich Nachrichten über politische Parteien, die gegen die Umsetzung des vorgeschlagenen EU-Gesetzes zur Lieferkette gestimmt haben. Was sind die Gründe dafür? Welche Auswirkungen hat der scheinbar fehlende Konsens zwischen der Industrie und den Gesetzgebern? Dieser Beitrag wird ein Licht auf die Thematik werfen.

Rechtsgrundlage für den internationalen Menschenrechts- und Umweltschutz

Die vorgeschlagene EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, wie das EU-Lieferkettengesetz offiziell heißt, soll große Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte und des Umweltschutzes entlang der gesamten Lieferkette verpflichten.

Die Richtlinie soll für Unternehmen mit 500 Mitarbeitern oder mehr und einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten. Für bestimmte Branchen wie die Textilindustrie oder die Land- und Forstwirtschaft, sollen die Regeln ab 250 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Millionen Euro gelten. Darüber hinaus sollen auch Unternehmen, die nicht in der EU ansässig sind, erfasst werden, wenn sie in der EU einen Nettojahresumsatz von mehr als 150 Mio. EUR erzielen. Kleine und mittlere Unternehmen sind von der Richtlinie ausgenommen.

Im Mittelpunkt der Anforderungen steht die Erstellung eines Unternehmensplans zur Ausrichtung des Geschäftsmodells auf den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius. Außerdem müssen die Unternehmen Beschwerdemechanismen für Betroffene, Arbeitnehmervertreter und andere Sozialpartner vorsehen.

Industrie fordert Verbesserungen

Das Gesetz ist der Branche ein Dorn im Auge, denn es stellt die Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen. Dazu gehören ein erhöhter bürokratischer Aufwand und die Unfähigkeit, vollständige Informationen über die verschiedenen Akteure entlang der Lieferkette zu erhalten. Darüber hinaus erfordern diese Aktivitäten finanzielle Ressourcen und tragen zu der zunehmenden Belastung der Unternehmen bei, die auf der Grundlage einer Vielzahl unterschiedlicher Gesetze die Vorschriften einhalten müssen.

Als Vertreter der Industrie haben Wirtschaftsverbände und politische Parteien die positive Wahrnehmung der Erfüllung des wichtigen Ziels der Nachhaltigkeit hervorgehoben. Sie sind jedoch der Ansicht, dass die Anforderungen in der Praxis nicht umsetzbar oder sogar unzureichend sind, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Außerdem könnten sie dazu führen, dass sich Unternehmen aus dem europäischen Markt zurückziehen und damit die Standards deutlich senken.

Unterschiedliche Standpunkte – und ein mögliches endgültiges Aus der Verordnung

Um die Bedenken der Industrie aufzulösen, hat die Europäische Kommission bereits weitreichende Zugeständnisse angeboten. Sie würde den Geltungsbereich der Verordnung einschränken, indem sie die kleineren Unternehmen in den besonders betroffenen Sektoren ausschließt. So würde die Verordnung nur für große Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von über 150 Millionen Euro gelten. Außerdem hat sie vorgeschlagen, das Inkrafttreten der Verordnung von 2029 auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dies würde den Unternehmen ausreichend Zeit geben, sich auf die Umsetzung vorzubereiten.

Dennoch will die Branche nicht klein beigeben, und ein Bündnis von Wirtschaftsverbänden hat Nachbesserungen am Gesetz gefordert. Darüber hinaus scheint es in den Bundesregierungen mehrerer EU-Staaten keinen Konsens über die Position zum Gesetz zu geben. Diese Entwicklungen lassen den Schluss zu, dass es keine Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten zu geben scheint. Die Abstimmung über den Vorschlag wurde daher verschoben und die Gespräche auf europäischer Ebene vorerst reduziert.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Europäische Kommission drastische Zugeständnisse bei Regelungen zur Nachhaltigkeit machen muss. Die Euro-7-Verordnung über Fahrzeugemissionen beispielsweise brachte nach heftigem Widerstand der Industrie keine drastischen Änderungen der Emissionsziele für leichte Nutzfahrzeuge mit sich (siehe Insight hier). Dennoch will sie an ihrer ehrgeizigen Vision festhalten, eine Vorreiterrolle bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften für mehr Schutz von Mensch und Umwelt zu spielen. Es bleibt spannend, was die neue Kommission nach den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni vorschlagen wird.

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