UNECE R157: Vorgaben zu Assistenzsystemen für automatisiertes Fahren
Aufbauend auf den United Nations Economic Commission for Europe (UNECE) Regelungen für Cybersicherheit und Software–Updates beinhaltet UNECE R157 verpflichtende Anforderungen an Assistenzsysteme für hochautomatisiertes Fahren nach Level 3. Sie stellt somit ein zentrales Element für die zukünftige technologische Geschäfts- und Wettbewerbsfähigkeit von Automobilherstellern dar.
Status Quo: Ausgangssituation
Die Automobilindustrie befindet sich im Wandel und als eine der größten technologischen Entwicklungen gilt das autonome Fahren. Dabei unterscheidet man zwischen 6 verschiedenen Stufen bzw. Levels des autonomen Fahrens.
Während Level 0 keinerlei selbständiges Fahren bedeutet, stellt Level 5 die größte Ausprägung des autonomen Fahrens dar – d.h. das Fahrzeug agiert in sämtlichen Fahrsituationen zu 100% selbständig. Entgegen der weitverbreiteten Annahme sind die meisten derzeit im Einsatz befindliche Assistenzsysteme – z.B. der bekannte Tesla Autopilot – erst dem Level 2 autonomen Fahren zuzuordnen. Der entscheidende Unterschied zu Level 3 liegt dabei in der Haftungsfrage. Bei Level 2 autonomen Fahren verbleibt die Haftung in jedem Fall bei Fahrer:innen, während bei Level 3 unter gewissen Umständen die Haftung auf den Automobilhersteller übertragen werden kann. Mit diesen höheren Automatisierungsstufen steigen auch die technologischen Anforderungen an die Fahrzeuge erheblich.
Inhalte der UNECE R157
Im Januar 2021 hat die UNECE die ersten einheitlichen Regelungen verabschiedet, die den Einsatz von Fahrerassistenzsystemen der Stufe 3 (Hochautomatisiertes Fahren) definieren:
Die Umsetzung von technischen Anforderungen wird in Zukunft Voraussetzung für die Beantragung einer Typgenehmigung von Fahrzeugen sein, die mit einem automatischen Spurhalte-Assistenzsystem (Automated Lane Keep System – ALKS) ausgestattet sind. Die Vorschriften gelten für PKW und leichte Nutzfahrzeuge und schreiben vor, dass das ALKS nur unter bestimmten Umständen aktiviert werden kann:
- Fahrt auf der Autobahn (keine Fußgänger und Radfahrer, kein Gegenverkehr)
- Fahrt bei einer Geschwindigkeit von maximal 130 km/h
Die nationale Umsetzung der Regelung erfolgte bisher in mehr als 50 UNECE Mitgliedsstaaten, u.a. in sämtlichen Ländern der Europäischen Union sowie in England, Australien, Südafrika, Türkei.
Im Wesentlichen fordert UNECE R157:
- eine redundante System- und Ausfallsicherheit
- Mechanismen zur Überwachung der Mensch-Maschine-Schnittstelle
- Sensorik zur Objekt- und Ereigniserkennung sowie
- die kontinuierliche Aufzeichnung von Fahrzeugdaten
Zusätzlich gilt die nachweisliche Erfüllung der UNECE Regelungen zu Cybersicherheit (R155) und Software-Updates (R156) als Grundvoraussetzung zur Beantragung einer Fahrzeugtypgenehmigung nach UNECE R157.
Auswirkungen und Handlungsbedarf
Die UNECE R157 hat damit umfangreiche Auswirkungen auf die bestehenden Entwicklungs- und Testing-Prozesse für elektrische und elektronische Komponenten bei Fahrzeugherstellern und Lieferanten. Zur Erreichung von Compliance und der erforderlichen Software-Qualität müssen die Anforderungen von Anfang an berücksichtigt werden.
Wesentliche Grundlage dafür ist die Bereitstellung und das Zusammenspiel von entsprechenden Prozessen, Methoden und IT-Tools innerhalb der Organisation. Prozesse beinhalten die Definition und Strukturierung von Abläufen für eine effiziente Koordination und Durchführung von Fahrzeugentwicklungsprojekten. Methoden umfassen die Anwendung spezifischer Techniken und Ansätze zur systematischen Analyse, Gestaltung und Optimierung von Komponenten und Systemen. IT-Tools werden eingesetzt, um die Datenerfassung und -verarbeitung zu erleichtern, was die Planung und Kommunikation verbessert.
Nur Fahrzeuge, die diese Anforderungen erfüllen, dürfen mit einem ALKS der Stufe 3 ausgestattet werden. Die Beantragung der Fahrzeugtypgenehmigung erfolgt bei der nationalen Genehmigungsbehörde (z.B. das Kraftfahrbundesamt in Deutschland).
Im Anschluss wird das Fahrzeug durch eine Behörde oder einen technischen Dienst geprüft. Diese Prüfung besteht aus einer virtuellen Simulation verschiedener Szenarien, dem Testen kritischer Szenarien auf einer Teststrecke sowie einer Fahrprüfung auf öffentlichen Straßen. Bei erfolgreichem Abschluss der Prüfung erhält der Fahrzeughersteller die Typgenehmigung für das beantragte Fahrzeugmodell mit dem darin verbauten ALKS.
Was muss getan werden?
EFS Consulting begleitet dabei, relevante Anforderungen der UNECE R157 zu identifizieren und gesamtheitlich umzusetzen. Folgende Schritte sollten Automobilhersteller und Lieferanten dazu durchführen:
- Detaillieren technischer Anforderungen an ein Fahrzeugprojekt
- Integrieren der Anforderungen in den Entwicklungsprozess
- Entwickeln eines Testing-Konzepts auf Basis der Anforderungen im Anhang der UNECE R157
- Einhalten der Anforderungen in der Entwicklungsphase
- Begleiten der Fahrzeugtests und Dokumentieren der erfüllten Testing-Anforderungen
- Einreichen der Zertifizierung
Mit der frühzeitigen Umsetzung der Anforderungen legen Automobilhersteller und Lieferanten die Basis für erfolgreiche Fahrzeugprojekte und schaffen eine entscheidende Grundvoraussetzung für die zukünftige technologische Geschäfts- und Wettbewerbsfähigkeit.
Fazit
UNECE R157 fordert umfassende Sicherheits- und Notfallstrategien, kontinuierliche Systemüberwachung sowie robuste Cybersicherheitsmaßnahmen. Für die Zertifizierung müssen Fahrzeuge mit einem ALKS umfangreiche Tests bestehen, die verschiedene Szenarien und Realbedingungen abdecken.
Die Regelung hat damit weitreichende Auswirkungen auf die Automobilindustrie, denn die Entwicklung neuer Technologien erfordert signifikante Investitionen und erweiterte Teststrategien. Durch frühzeitige und effektive Umsetzung der UNECE R157 können Unternehmen Wettbewerbsvorteile erzielen und ihre Position im Markt stärken.
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