EFS Consulting
21.10.2024

Onsite, Onshore, Nearshore, Offshore im ITSM: Wann passt welches Modell am besten?

Was ist das richtige Shoring-Modell? Was passt am besten zu den Outsourcing-Anforderungen in der IT eines Unternehmens? Wie kann man trotz hoher Qualitätsansprüche den passenden und günstigsten IT-Servicepartner finden?

All das sind Fragen, die beim IT-Sourcing immer wieder auftauchen und im EFS-Ansatz für eine End-to-End-Sicht auf den Contract-Life-Cycle eine wichtige Rolle spielen. Im Folgenden wird auf die verschiedenen IT-Sourcing Modelle eingegangen und die Vor- und Nachteile für die einzelnen Beauftragungen aufgezeigt.

Was bedeutet Onsite, Onshore, Nearshore, Offshore (in der DACH-Region)?

IT-Outsourcing ist eine Möglichkeit für Unternehmen, sich hinsichtlich der Wertschöpfung auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Dabei werden unterschiedliche unterstützende IT-Tätigkeiten (Software-Entwicklung, Applikations– oder Infrastruktursupport) an Dienstleister bzw. Serviceprovider übergeben, deren Kerngeschäft wiederum diese Tätigkeiten sind und das entsprechende fachliche Wissen hier effektiv einsetzen können. Diese Tätigkeiten müssen teilweise vor Ort, können aber – und das wird in den meisten Fällen insbesondere aus Kostengründen genutzt auch remote erbracht werden. Dabei gibt es, je nach bevorzugtem Shoring-Modell verschiedene Varianten, die im Einzelnen erläutert werden. 

Shoring Weltkarte: Wo sind die einzelnen Shorings verortet?

In der Weltkarte sind die einzelnen Shoring-Modelle anschaulich dargestellt. Die onshore DACH-Region setzt sich bekanntermaßen aus den 3 Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz zusammen. Nearshore und Offshore ist außerhalb dieser Region angesiedelt. 

  • Onsite: direkt am Ort des ausgeschriebenen Standorts und innerhalb der Unternehmensgrenzen 
  • Onshore:  innerhalb der Landesgrenzen des ausgeschriebenen Standorts, meist in der Nähe 
  • Nearshore: außerhalb der Landesgrenzen des ausgeschriebenen Standorts, aber innerhalb der EU 
  • Offshore:  außerhalb der EU 

Welche Vorteile und Nachteile haben die einzelnen Shoring-Modelle?

Diese Shoring-Modelle kommen je nach Einsatzgebiet in der IT zur Auswahl. Direkt vor Ort bei Kund:innen werden meist Leistungen erbracht, die Remote nicht möglich sind (z.B. Reparaturarbeiten an der Infrastruktur, Ausbringung von Hardware, Austausch von defekten Geräten). Ist der IT-Support technisch – Remote – möglich, wird dieser On-, Near– oder Offshore erbracht. Je nach Shoring-Modell gibt es jedoch Vor- und Nachteile zu beachten. 

Sharingmodell   Vorteile Nachteile
Onsite Direkt vor Ort bei Kund:innen ermöglicht Onsite eine engere Zusammenarbeit mit den Endbenutzer:innen,  

direkte und schnelle Kommunikation und Fehlerbehebung,  

hohe Flexibilität bei der Verwaltung und Wartung der IT-Infrastruktur 

Hohe Abhängigkeit von Einzelpersonen, die die einzelnen Unternehmens-seitigen Sicherheitsfreigaben haben, 

Sehr kostenintensiv durch höhere Personal- und Standortkosten (z.B. durch Raum- und Hardware-Miete), 

Personal muss vor Ort verfügbar sein 

Onshore Effiziente Kommunikation, sofortige Erreichbarkeit und zeitliche Nähe sichert schnelle Reaktion bei Kund:innen,  ähnliche Kultur und Arbeitsweise erleichtert die Teamarbeit untereinander, Klare rechtliche Rahmenbedingungen und damit geringes Sicherheitsrisiko, Im Gegensatz zu Near- oder Offshore-Varianten:  bessere Kontrolle und Transparenz,  höhere Servicequalität,  weniger Missverständnisse und bessere Zusammenarbeit, 

 Vermeidung von politischen oder wirtschaftlichen Risiken 

Mangel an qualifizierten IT-Fachkräften (Talentpool) in der DACH-Region, Im Gegensatz zu Near- oder Offshore-Varianten:  höhere Personal- und Betriebskosten,  natürliche 24/7-Abdeckung ist nicht möglich bzw. ist nur mit erhöhten Zuschlägen zu erreichen,  begrenzte internationale Erfahrungen bei globalen Projekten (nur bei großen, international erfahrenen Anbietern möglich), eingeschränkte Optionen zur Kostenoptimierung,  langsamere Einführung von neuen Technologien durch lokale bzw.  nationale Regularien
Nearshore Niedrigere Lohnkosten und Infrastrukturkosten im Vergleich zu DACH-Ländern, 

zeitnahe Verfügbarkeit durch ähnliche Zeitzonen – dadurch schnellere Kommunikation 

sprachliche Barrieren sind geringer als bei Offshore-Support in weiter entfernten Ländern,  

größere kulturelle Nähe,  

gut ausgebildete Fachkräfte, 

agile Arbeitsweisen sind effizienter möglich, 

weniger Datensicherheits- und Datenschutzrisiken als beim Offshore-Ansatz 

Höhere Personalkosten im Gegensatz zum Offshore-Ansatz,  

sprachliche Unterschiede können zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen,  

Risiko einer schwankenden Qualität der eingesetzten Fachkräfte und der Ergebnisse,  

teilweise fehlende Branchenspezialisierung,  

mögliche Probleme bei der Einhaltung der eigenen Compliance-Standards, 

Gefahr von politischen oder wirtschaftlichen Instabilitäten 

Offshore Am kostengünstigsten – niedrige Personal- und Betriebskosten wie z.B. Büromiete und Infrastruktur,  

Globaler IT-Support und Erfahrungen mit internationalen Projekten,  

großer Talentpool insbesondere auch für spezialisierte Tätigkeiten z.B. für Cloud-Support und Cybersicherheit, 

schnelle Skalierung und Anpassung an unterschiedliche Anforderungen,  

Zugang zu neuesten Tools und Technologien 

sprachliche Unterschiede können zu Missverständnissen und Kommunikationsschwierigkeiten führen, 

Zeitzonenunterschiede können zu Verzögerungen bei der Kommunikation und bei der Bearbeitung von dringenden Anfragen führen,  

Proaktives Management ist nicht so stark ausgeprägt, 

erhöhte Datensicherheits- und Datenschutzrisiken,  

erhöhter Managementaufwand für Koordination und Qualitätssicherung, 

Gefahr von politischen oder wirtschaftlichen Instabilitäten

 

Was sind die günstigsten Shoringmodelle? Welche Risiken gibt es und wie kann man diesen erfolgreich begegnen?  

Near- und Offshore sind eindeutig aufgrund des Personalkosten- und Ressourcenvorteils am günstigsten gegenüber Onshore im DACH-Raum. Aber Achtung: Hier gibt es versteckte Kosten! 

Wodurch können diese versteckten Kosten insbesondere im Near- und Offshorebereich entstehen? 

  1. Durch Verständnisprobleme,  
  2. durch erhöhte Administration und 
  3. durch ein weit verbreitetes reaktives statt proaktives Management

1. Verständnisprobleme 

Besonders bei IT-Störungen ist nicht immer klar, was das eigentliche Problem ist. Schnelle Lösungen werden zwar gefordert, aber erst nach mehreren zeitintensiven Nachfragen kann eine Störung (Incident) oder eine Anfrage (Request) identifiziert und gegebenenfalls an die folgenden Service Level weitergegeben werden.  

Sind die sprachlichen, kommunikativen Voraussetzungen (beidseitig – Auftraggeber / Auftragnehmer) nicht gegeben, sollte möglichst auf ein Near- bzw. Offshoring verzichtet werden.  

Wie können Verständnisprobleme gelöst werden? 

Hinsichtlich der Sprache sind bestimmte internationale Standards und Level zu beachten. Hier bietet sich der gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen (GER/CEFR) an. Je nach Anforderung ist es sinnvoll, beispielsweise bei Helpdesk Mitarbeitenden mindestens den Sprachlevel B2 zu fordern. Hier ist es wichtig, dass Mitarbeitende in der Lage sind, technische Probleme aufzunehmen und Lösungen klar zu erklären; oft auch in stressigen Situationen.  

Bei Systemen mit einer hohen Risikoklasse ist ein fortgeschrittenes Verständnis und eine fast fließende Sprachkompetenz auf C1-Niveau wichtig, um komplexe, technische oder fachspezifische Telefonanrufe oder Emails problemlos zu verstehen. Damit können Missverständnisse vermieden und in angemessener Sprache Lösungen für Probleme angeboten werden. 

2. Administration

Ein erhöhter Aufwand an administrativen Tätigkeiten kann im Near- und Offshore-Service durch verschiedene Faktoren entstehen. Zum einen wird ein zusätzlicher Aufwand durch das “Zwischenschalten” von Kommunikatoren notwendig, damit Anforderungen und Anweisungen klar verstanden und schnell umgesetzt werden können. Des Weiteren können auch Verrechnungsprobleme durch Wechselkursschwankungen entstehen. Auch durch unterschiedliche Zeitzonen (insbesondere beim Offshore-Ansatz) und durch nationale Feiertage sind zusätzliche Aufwendungen notwendig. Dazu kommen Onboardings und Schulungen, um sicherzustellen, dass die die betrieblichen Abläufe, Richtlinien und Technologien vollumfänglich verstanden werden.  

Vertraulichkeitsvereinbarungen, um die Sicherheit sensibler Daten und Informationen zu gewährleisten und Gremien, Rollen und entsprechende Zugriffsrechte müssen separat abgeschlossen und eingerichtet werden. 

Wie sollte die Administration idealerweise erfolgen? 

Der Aufwand für die Kommunikatoren ist so gering wie möglich zu halten und die Verrechnung sollte nur auf EUR-Basis ohne Währungsschwankungen erfolgen. 

Ein zeitversetzter Support beim Servicepartner kann an den Kunden angepasst werden (auch bei Feiertagen). Onboarding- und Schulungsmaterial ist idealerweise vorhanden und nutzbar, sowie die Vertraulichkeitsvereinbarungen als Template stets verfügbar. 

Über ein strukturiertes Governance-Modell könnte eine transparente Aufteilung der Verantwortlichkeiten sichergestellt werden und für jede Rolle separate Zugriffrechte definiert sein. 

3.Proaktives statt reaktives Management 

Insbesondere bei Umstellung von Time & Material- zu Service Management – Beauftragungen ist es bei einer Transition zu einem Near- oder Offshore Servicepartner wichtig, nicht nur darauf hinzuweisen, dass sich die gesamte Service-Arbeitsweise vom Reaktiven zum Proaktiven ändert, sondern dass dieser Ansatz auch im gesamten Servicezeitraum zu erbringen ist. Durch den proaktiven Ansatz kann der Servicepartner sehr stark seine Produktivität steigern, effizienter (preisgünstiger) seinen Service erbringen und sich für den nächsten Vertrags-Folgezeitraum anbieten.  

Wie kann proaktives Management eingefordert werden? 

Bei einer Ausschreibung für Managed Service Support wird in den Anforderungen beschrieben, „WAS“ der Servicepartner zu erfüllen hat. “WIE” der Servicepartner die Anforderungen umsetzt, wird ihm (weitestgehend) überlassen (nach AG-Richtlinien). Die proaktive Arbeitsweise ergibt sich dann als Bestandteil seiner Serviceerbringung im Betrieb, um die geforderten Service Level zu erfüllen. 

Fazit

Anforderungen zum Shoring sind bereits in der Ausschreibungsphase klar zu formulieren und sollten gegebenenfalls als Optionen abgefragt werden, wenn nicht eindeutig als klare Anforderung definiert. IT-Entwicklungsleistungen werden bereits seit einiger Zeit erfolgreich und kostengünstig Nearshore bzw. Offshore beauftragt. Voraussetzung dafür ist ein strukturiertes und transparentes Anforderungs- und Testmanagementmanagement. Im IT-Servicemanagement (Service Desk, Anwendungssupport und Softwarewartung) ist die Vergabe in vielen Fällen abhängig von der Risikoklasse des einzelnen Systems. Leistungen, die per Remote nicht möglich sind (z.B. Reparaturarbeiten an der Infrastruktur, Ausbringung von Hardware, Austausch von defekten Geräten) werden Onsite erbracht. 

EFS Consulting unterstützt Unternehmen bei ihren Sourcing-Maßnahmen – orientiert an den IT-Contract-Lifecycle (Ausschreibung, Transition und Betrieb) und begleitet Unternehmen bei der Auswahl der optimalen Shoringmodelle entsprechend des Anwendungsfalls. Alles, was bei einer Ausschreibung notwendig und vor allem auch sinnvoll ist, wird von unseren Expert:innen mit umfangreichem Wissen und Erfahrungen gerne hinsichtlich des gesamten IT-Contract-Lifecycle betrachtet und analysiert. Die Vorgehensweisen dafür sind im IT-Sourcing Artikel unter der Rubrik – Der EFS Consulting Ansatz – kurz erläutert.  

 

 

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