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24.03.2025

Die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft: Von 3R bis 10R – Wege zur Ressourcenschonung

Die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft bieten vielfältige Ansätze zur Ressourcenschonung, indem sie Maßnahmen wie Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln systematisch erweitern. In diesem Insight erfahren Sie, wie die klassischen 3R-Strategien bis hin zu den umfassenderen 9R-Framework einen ganzheitlichen Ansatz für nachhaltiges Wirtschaften bieten.

Das Wichtigste in Kürze  

  • Die klassischen 3R-Strategien (Reduce, Reuse, Recycle) wurden kontinuierlich erweitert und bilden heute einen ganzheitlichen Ansatz zur Ressourcenschonung – das 9R-Framework 
  • Maßnahmen wie Refuse und Rethink setzen bereits an der Produktgestaltung und des -konsums an, während Recycling und Energiegewinnung als letzte Optionen betrachtet werden 
  • Unternehmen, die zirkuläre Geschäftsmodelle umsetzen, können sich langfristige Wettbewerbsvorteile sichern. 

 

Der Ursprung des zirkulären Denkens: Die 3R-Regel 

Die Europäische Kommission hat mit ihrem 2015 verabschiedeten Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft die Transformation von der Linearwirtschaft hin zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft angestoßen. In Österreich wurde daraufhin die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie entwickelt, die im Dezember 2022 beschlossen wurde und Unternehmen sowie Konsument:innen einen klaren Rahmen zur Umsetzung zirkulärer Wertschöpfungsmodelle vorgibt. 

Ein zentrales Element dieser Strategie ist die systematische Vermeidung von Ressourcenverschwendung durch intelligentes Produktdesign, effiziente Materialkreisläufe und innovative Geschäftsmodelle – Hören Sie mehr über Circular Product Design in der EFS Podcastfolge. Dabei spielen die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft eine entscheidende Rolle. Ursprünglich auf das einfache 3R-Prinzip (Reduce, Reuse, Recycle) beschränkt, wurden diese Strategien kontinuierlich weiterentwickelt – bis hin zum 9R-Framework. 

Die 3R-Regel im Detail 

Die Kreislaufwirtschaft stützt sich ursprünglich auf das 3R-Prinzip – Reduce, Reuse, Recycle – mit dem Ziel, Ressourcen effizienter zu nutzen, Abfall zu vermeiden und Umweltbelastungen zu reduzieren. Dieses Konzept wurde entwickelt, um den Energie- und Materialverbrauch in der Produktion zu minimieren und so Emissionen sowie Verschmutzungen zu verringern. 

Im Laufe der Zeit wurde das 3R-Framework weiterentwickelt und bildete die Grundlage für Green Manufacturing-Konzepte. Diese bauen auf den Prinzipien der Lean Production der 1980er-Jahre auf, die sich zunächst auf eine einzige Maßnahme fokussierten: die Reduzierung des Ressourcenverbrauchs (Reduce). Mit den steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Effizienz entstanden neue Frameworks, die zusätzliche Strategien zur Verlängerung der Produktlebensdauer und Optimierung von Materialkreisläufen einbezogen. 

Reduce (Reduzieren)  

  • Reduce (Reduzieren): Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen minimieren, z. B. durch Materialeinsparungen oder effizientere Produktionsprozesse. 
  • Beispiel für Reduce: Unilever – Nachhaltige Verpackungen 
    Unilever reduziert den Kunststoffverbrauch durch leichtere Verpackungen und nachfüllbare Systeme. Ziel ist es, bis 2030 den Einsatz von Neukunststoff um 50% zu senken. 

Reuse (Wiederverwenden) 

  • Reuse (Wiederverwenden): Produkte so oft wie möglich in ihrer ursprünglichen Form nutzen oder für andere Zwecke verwenden. 
  • Beispiel für Reuse: IKEA – Rücknahme von Möbeln 
    IKEA bietet Kund:innen die Möglichkeit, gebrauchte Möbel zurückzugeben. Diese werden überprüft, weiterverkauft oder gespendet, um ihre Lebensdauer zu verlängern. 

Recycle (Recyceln) 

  • Recycle (Recyceln): Materialien in den Produktionskreislauf zurückführen, um neue Produkte herzustellen. 
  • Beispiel für Recycle: Patagonia – Polyester aus PET-Flaschen
    Patagonia verwendet recycelte PET-Flaschen und alte Kleidungsstücke, um neue Polyesterfasern herzustellen und den Einsatz fossiler Rohstoffe zu reduzieren. 

 

Erweiterte Modelle: 4R, 5R, 9R und 10R 

Ursprünglich als Abfallvermeidungsstrategie gedacht, hat sich das 3R-Prinzip im Zuge steigender Nachhaltigkeitsanforderungen weiterentwickelt. Im Laufe der Zeit wurden daraus erweiterte Modelle abgeleitet, die spezifischere Maßnahmen für eine nachhaltige Materialnutzung definieren und gezielt auf eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft ausgerichtet sind. 

4R-Modell: Reduce, Reuse, Recycle + Recover 

Das 4R-Modell erweitert die klassische 3R-Strategie um einen zusätzlichen Schritt – Recover.  
Neben der Reduzierung, Wiederverwendung und dem Recycling von Materialien geht es hierbei um die Rückgewinnung von Energie und Ressourcen aus nicht mehr nutzbaren Produkten. Wenn Materialien und Produkte bereits Nutzungszyklen durchlaufen haben und keine der anderen Strategien mehr anwendbar ist, werden sie noch nach Möglichkeit in Müllverbrennungsanlagen zur Energiegewinnung genutzt. Dadurch kann der Einsatz fossiler Brennstoffe reduziert oder gänzlich ersetzt werden. In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft wird die thermische Verwertung jedoch als letzte Option genutzt – erst wenn keine Alternativen mehr bestehen. 

Beispiel für Recover: Egger – Energetische Verwertung von Holzresten 
Egger, ein weltweit führender Holzwerkstoffhersteller, nutzt eine kaskadische Holznutzung. Holzreste, die nicht mehr stofflich verwertet werden können, werden in Biomassekraftwerken energetisch genutzt. Dadurch ersetzt Egger fossile Brennstoffe und reduziert CO₂-Emissionen. 

 

5R-Modell: Reduce, Reuse, Recycle + Repair & Refurbish  

Während das 4R-Modell durch die Rückgewinnung bereits eine Erweiterung der klassischen 3R-Strategie darstellt, geht das 5R-Modell noch einen Schritt weiter. Es ergänzt die bestehenden 3R-Prinzipien um die aus Kreislaufwirtschaftssicht sehr hochwertigen Strategien Repair und Refurbish.  

Repair (Reparieren)  

  • Repair (Reparieren) steht für die Instandsetzung eines defekten oder beschädigte Produkts, um seine ursprüngliche Funktionalität wiederherzustellen  
  • Beispiel für Repair: Fairphone – Modulares Smartphone-Design
    Das niederländische Unternehmen Fairphone setzt auf reparierbare Smartphones mit austauschbaren Modulen für Akkus, Displays und Kameras. Dadurch wird Elektroschrott reduziert und die Nutzungsdauer verlängert. 

Refurbish (Wiederaufbereiten)  

  • Refurbish (Wiederaufbereiten) bezieht sich auf eine umfassende Aufbereitung und Optimierung eines gebrauchten Produkts, um dessen Funktionalität und äußeres Erscheinungsbild zu verbessern 
  • Beispiel für Refurbish: Apple – Generalüberholte iPhones & MacBooks 
    Apple bereitet gebrauchte Geräte professionell auf und verkauft sie mit Garantie als generalüberholte iPhones und MacBooks, um Elektroschrott zu reduzieren und Ressourcen zu schonen. 

Das 5R-Modell kann je nach Quelle unterschiedliche Maßnahmen umfassen. Die spezifischen Prinzipien und deren Gewichtung variieren in der Literatur, wobei der Fokus stets auf der Reduktion von Ressourcenverbrauch und die Verlängerung von Produktlebenszyklen liegt. 

9R-Framework: Eine detaillierte Hierarchie der Ressourcenschonung 

Das 9R-Framework von Potting et al. (2017) bietet einen detaillierten Überblick über nachhaltige Ressourcennutzung und beschreibt Maßnahmen zur Schließung von Materialkreisläufen. Die Strategien sind hierarchisch geordnet: Je früher eine Maßnahme in der Wertschöpfungskette ansetzt, desto größer ist ihr Beitrag zur Zirkularität. 

Das Modell umfasst 10Rs, sprich zehn Maßnahmen von R0 bis R9 und verfolgt das Ziel, Produkte intelligenter zu nutzen und herzustellen, ihre Lebensdauer zu verlängern und Materialien bestmöglich weiterzuverwenden. Je effektiver eine Maßnahme den Materialkreislauf schließt, desto länger bleiben Ressourcen erhalten und können idealerweise mit ihrer ursprünglichen Qualität weiterverwendet werden. Dies verringert die Abhängigkeit von Primärrohstoffen und reduziert Umweltbelastungen durch Produktion und Entsorgung. 

R0 bis R2: Refuse, Rethink & Reduce 

Die Strategien R0 bis R2 setzen an der Quelle an und haben das Ziel, den Einsatz von Rohstoffen in der Produktion zu vermeiden oder erheblich zu reduzieren. Dies geschieht entweder durch den kompletten Verzicht auf bestimmte Produkte (Refuse), eine intelligentere Gestaltung und Nutzung (Rethink) oder eine ressourcenschonendere Produktion (Reduce). Diese Maßnahmen sind besonders effektiv, da sie bereits vor der Herstellung von Produkten ansetzen und somit den Material- und Energieverbrauch grundlegend minimieren. 

Refuse (Ablehnen) 

Diese Strategie fordert dazu auf, unnötige Konsumgüter und verschwenderische Designs zu hinterfragen und bewusst abzulehnen. Indem Produkte gar nicht erst hergestellt oder konsumiert werden, kann die Ressourcenverschwendung bereits an der Wurzel drastisch reduziert werden. 

Beispiel für Refuse: Spotify & Netflix – Digitale Inhalte statt physischer Datenträger
Streaming-Dienste wie Spotify und Netflix ersetzen CDs, DVDs und Blu-rays durch digitale Inhalte, wodurch der Materialverbrauch und die CO₂-Emissionen aus der Produktion und dem Transport physischer Datenträger vermieden werden. 

Rethink (Überdenken)  

Diese Strategie fordert ein Umdenken sowohl im Konsumverhalten als auch in der Art und Weise, wie Produkte und Dienstleistungen gestaltet und angeboten werden. Statt bestehende Geschäftsmodelle einfach nachhaltiger zu machen, geht es darum, komplett neue Wege der Wertschöpfung zu entwickeln, die von Anfang an auf Langlebigkeit, Mehrfachnutzung und geschlossene Kreisläufe ausgerichtet sind. 

Beispiel für Rethink: Vestas – Windkraft als Service statt Verkauf 
Vestas bietet Windkraftanlagen als leistungsbasierte Servicelösung an: Kund:innen zahlen für die tatsächlich erzeugte Energie, während die Anlagen im Besitz von Vestas bleiben. Dies optimiert Wartung, verlängert die Lebensdauer und sichert eine bessere Kreislauffähigkeit der Anlagen. 

R3 bis R7: Reuse, Repair, Refurbish, Remanufacturing & Repurpose 

Die Maßnahmen R3 bis R7 zielen darauf ab, die Nutzungsdauer bereits im Wirtschaftskreislauf befindlicher Rohstoffe zu verlängern. Durch verschiedene Formen der Wieder- oder Weiterverwendung von Produkten und deren Komponenten kann ein Mehrwert geschaffen werden, ohne dass zusätzliche Rohstoffe entnommen werden müssen. 

Remanufacture (Wiederaufarbeiten) 

Beim Remanufacturing werden gebrauchte Produkte oder Bauteile zerlegt, geprüft, überarbeitet und mit neuen Komponenten wieder zusammengesetzt. So entsteht ein neuwertiges Produkt mit gleicher Leistung und Garantie, aber hoher Material- und Energieeinsparung. 

Beispiel für Remanufacture: Caterpillar – Wiederaufbereitung von Baumaschinenkomponenten 
Caterpillar führt gebrauchte Motoren und Getriebe einem strukturierten Wiederaufbereitungsprozess zu. Die Bauteile werden zerlegt, gereinigt, geprüft und mit neuen Komponenten auf den neuesten Stand gebracht, wodurch bis zu 50% Material und Energie eingespart werden. 

Repurpose (Zweckentfremdung)  

Bei Repurpose wird ein Produkt oder Material für einen völlig neuen Zweck genutzt, anstatt es zu entsorgen oder zu recyceln. 

Beispiel für Repurpose: Freitag – Taschen aus alten Lkw-Planen 
Das Schweizer Unternehmen Freitag produziert hochwertige Taschen und Rucksäcke aus ausgedienten Lkw-Planen, Sicherheitsgurten und Fahrradschläuchen. Dadurch entstehen individuelle, langlebige Produkte, die Materialien weiter im Kreislauf halten. 

R8 &R9: Recycle & Recover 

R8 & R9 stellen die letzten verbleibenden Optionen dar, wenn alle vorherigen Strategien nicht mehr anwendbar sind. Durch die Rückgewinnung und Nutzung von Sekundärrohstoffen kann der Bedarf an neu gewonnenen Rohstoffen aus der Umwelt verringert werden. Wie oben erwähnt, wird in der Kreislaufwirtschaft jedoch besonderen Wert daraufgelegt, dass R9 Recover nur dann eingesetzt wird, wenn keine anderen Strategien mehr verfügbar sind. 

 

Warum gibt es verschiedene R-Modelle? 

Die unterschiedlichen R-Modelle sind historisch gewachsen und spiegeln die Weiterentwicklung zu einer Kreislaufwirtschaft wider. Die Grundlage bildet das 3R-Modell, das sich auf die Minimierung von Abfall und die Wiederverwertung von Materialien konzentriert. Mit steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung wurden zusätzliche Maßnahmen integriert, um eine detailliertere und effektivere Umsetzung zu ermöglichen. Die R-Strategien, in ihren unterschiedlichen Ausprägungen, bieten eine strukturierte und praxisnahe Methode zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft, indem sie gezielt Maßnahmen definieren, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Abfälle zu minimieren. 

 

Fazit  

Sowohl Konsument:innen als auch Unternehmen tragen die Verantwortung, den Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft aktiv mitzugestalten. Indem wir unser Konsumverhalten überdenken, verschwenderische Designs ablehnen und auf langlebige sowie ressourcenschonende Produkte setzen, können wir einen entscheidenden Beitrag leisten. Gleichzeitig müssen Unternehmen frühzeitig auf zirkuläre Geschäftsmodelle umstellen und ihre Strategien anpassen, um nicht nur Umwelt und Ressourcen zu schützen, sondern auch langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern, Kosten zu reduzieren und steigenden regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. 

Die R-Strategien der Kreislaufwirtschaft bieten klare Handlungsmöglichkeiten, um nachhaltiger zu wirtschaften und wirtschaftliche Vorteile zu erzielen: 

  • Frühzeitige Kreislaufstrategien verringern die Abhängigkeit von Primärrohstoffen. 
  • Innovative Geschäftsmodelle wie Pay-per-Use oder Produkt-as-a-Service minimieren den Materialeinsatz. 
  • Unternehmen, die in zirkuläre Prozesse investieren, sichern sich langfristige Wettbewerbsvorteile. 

Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Doch der Übergang zur Kreislaufwirtschaft erfordert strategische Planung und maßgeschneiderte Lösungen. Es liegt an uns allen diesen Wandel aktiv voranzutreiben und nachhaltige Entscheidungen in unser tägliches Handeln zu integrieren. 

EFS Consulting begleitet Sie dabei, die R-Strategien gezielt in Ihr Geschäftsmodell zu integrieren – von innovativen Produktdesigns bis hin zu Ansätzen für Reuse & Remanufacture, um ihre bestehenden Ressourcen optimal zu verwerten. 

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