EFS Consulting
21.11.2024

IATF 16949 erklärt

Durch die Globalisierung wurden Märkte miteinander verknüpft, sodass Unternehmen ihre Waren und Dienstleistungen international anbieten können. Dabei müssen jedoch die Qualitäts- und Sicherheitsstandards des jeweiligen Marktes eingehalten werden. Um dies zu vereinfachen, kommen internationale Standards, Normen und Richtlinien, die weltweit anerkannt sind und verstanden werden, ins Spiel. Je nach Branche müssen unterschiedliche Anforderungen berücksichtigt werden, wodurch sich branchenspezifische Standards etabliert haben. Einer dieser Standards ist die IATF 16949, welche speziell für die Automobilindustrie entwickelt wurde und auf deren Spezifikationen in diesem Artikel genauer eingegangen wird.

Was ist „IATF“ und wofür steht „IATF 16949“?

Die Internationale Automotive Task Force (IATF) ist eine Ad-Hoc-Gruppe von Automobilherstellern und verwandten Industrieverbänden, die sich das Ziel gesetzt hat, weltweit verbesserte Qualitätsprodukte an Kund:innen in der Automobilindustrie anzubieten. Die Beweggründe für die Gründung der IATF waren folgende.

  • Erarbeitung eines Konsenses über die internationalen grundlegenden Anforderungen an Qualitätssicherungssysteme, in erster Linie für die direkten Zulieferer der teilnehmenden Unternehmen für Produktionsmaterialien, Produkt- oder Serviceteile oder Endbearbeitungsdienstleistungen (z. B. Wärmebehandlung, Lackierung und Beschichtung).
  • Entwicklung von Richtlinien und Verfahren für das gemeinsame IATF-Registrierungssystem für Dritte, um weltweite Konsistenz zu gewährleisten.
  • Bereitstellung geeigneter Schulungsmaßnahmen zur Unterstützung der Anforderungen der IATF 16949 und des IATF-Registrierungssystems.
  • Aufbau von formellen Verbindungen zu geeigneten Gremien, um die Ziele der IATF zu unterstützen.

Insgesamt leistet die IATF einen wesentlichen Beitrag zur Harmonisierung der Qualitätsstandards in der Automobilindustrie und stärkt damit das Vertrauen in die gesamte Wertschöpfungskette. Die IATF 16949 ist ein branchenspezifischer Standard, der speziell für die Automobilindustrie entwickelt wurde und richtet sich primär an die Entwicklung und Produktion in der Automobilindustrie. Bei Bedarf werden auch Montage, Einbau und Dienstleistungen für Produkte sowie solche mit integrierter Software einbezogen. Alle unterstützenden Funktionen, ob am Produktionsstandort oder extern, müssen im Qualitätsmanagementsystem berücksichtigt werden, um die gesamte Lieferkette zu erfassen. So werden auch Lieferanten durch regelmäßige Audits bewertet, um sicherzustellen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen den hohen Qualitätsstandards entsprechen. Ausgenommen von diesen Anforderungen ist lediglich die Produktentwicklung gemäß Abschnitt 8.3, dies muss jedoch dokumentiert werden. Darüber hinaus sind kundenspezifische Anforderungen zu berücksichtigen und in das Qualitätsmanagementsystem der Organisation entsprechend den Vorgaben der Norm zu integrieren.

Unterschied IATF und ISO 9001

Die IATF 16949 ist ein branchenspezifischer Standard, der auf der   Die ISO 9001 ist ein weltweit anerkannter Standard für Qualitätsmanagementsysteme. Der Fokus liegt auf der Kund:innenzufriedenheit und Unternehmen jeder Branche können damit zertifiziert werden. Die IATF 16949 hingegen ist kein eigenständiger Qualitätsmanagementsystem-Standard, sondern baut auf der ISO 9001 auf und kann spezifisch in der Automobilbranche angewandt werden. Sie umfasst die Anforderungen der ISO 9001 und erweitert diese um branchenspezifische Vorgaben. In der Regel lassen sich Unternehmen zunächst nach ISO 9001 zertifizieren und ergänzen diese Zertifizierung anschließend um die Anforderungen der IATF 16949. Zwar ist eine IATF-Zertifizierung auch ohne vorherige ISO 9001-Zertifizierung möglich, jedoch müssen in diesem Fall alle in der IATF definierten Anforderungen – einschließlich derjenigen der ISO 9001 – überprüft werden. Die IATF 16949 stellt sicher, dass Automobilhersteller und ihre Zulieferer die hohen Qualitätsanforderungen der Branche einhalten. Ergänzend dazu gibt es den VDA 6.3 Standard, der speziell für Prozessaudits in der Automobilindustrie entwickelt wurde, um Prozesse entlang der gesamten Lieferkette zu bewerten und zu auditieren. Dadurch wird sichergestellt, dass Qualitätsanforderungen konsequent umgesetzt werden.

Entwicklung und Bestandteile der Norm

Die erste Version ISO/TS 16949 des Standards wurde 1999 von der IATF ins Leben gerufen, um die weltweit unterschiedlichen Bewertungs- und Zertifizierungssysteme in der Lieferkette der Automobilindustrie zu harmonisieren. Der Standard wurde seither mehrfach überarbeitet und im Jahr 2016 wurde die Version ISO/TS 16949:2009 durch die aktuelle Fassung IATF 16949:2016 ersetzt. Mit der Veröffentlichung der IATF 16949 Rules, Ausgabe 6, treten ab 1. Januar 2025 neue Fristen in Kraft. Diese Regeln sind verbindlich für alle Audits anzuwenden und ersetzen sämtliche bisherigen sanktionierten Interpretationen, FAQs sowie die derzeit geltende 5. Ausgabe.

Inhaltlich orientiert sich die IATF 16949 an der Struktur der ISO 9001. Die ersten Kapitel umfassen den „Anwendungsbereich“, „normative Verweise“ und „typische Begriffe“ aus dem Qualitätsmanagement der Automobilindustrie. Ab Kapitel 4 beginnen die normativen Anforderungen, welche auf den ersten Kapiteln aufbauen. Der Abschnitt „Kontext und Organisation“ wird neben den aus der ISO 9001 übernommenen Forderungen, zur Einbeziehung des Unternehmensumfeldes, mit Punkten wie „kundenspezifische Anforderungen“, „Produktund Prozesskonformität“ und „Produktsicherheit“ ergänzt. Die folgenden Abschnitte „Führung“ und „Planung“, beinhalten zusätzliche Anforderungen wie „Risikoanalyse“, „Vorbeugungsmaßnahmen“ und „Notfallpläne“. Auch die Bereiche „Unterstützung“ und „Betrieb“ werden um zahlreiche Aspekte erweitert. In Abschnitt 9 „Bewertung und Leistung“ werden Methoden zur Überwachung und Analyse von Qualitätsmanagementsystemen, wie Audits, vorgestellt. Der letzte Abschnitt befasst sich mit der „Verbesserung“ und legt den Fokus auf die kontinuierliche Verbesserung, Problemlösung sowie Fehlersicherheit.

Herausforderungen bei der Implementierung von IATF 16949

Die Implementierung der IATF 16949 in einem Unternehmen bringt neben den Vorteilen auch einige Herausforderungen mit sich. Hohe Anforderungen an die Prozessdokumentation erfordern eine klare und nachvollziehbare Aufzeichnung aller Abläufe, was besonders zeit- und kostenintensiv ist, wenn ein geeignetes Dokumentationssystem noch nicht vorhanden ist. Ebenso muss die Qualitätskultur auf allen Ebenen der Organisation etabliert werden, um so ein nachhaltiges Umdenken vom Management bis zu den Produktionsmitarbeiter:innen zu fördern.

Da die Automobilindustrie stark auf Zulieferketten angewiesen ist, müssen für eine IATF-Zertifizierung alle zugelieferten Teile ebenfalls zertifiziert sein, was eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Partnern und Zulieferern voraussetzt. Die Einführung der IATF 16949 erfordert erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen. Von der Anpassung der Prozesse über die Schulung der Mitarbeitenden bis zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagements. Die Zertifizierung erfordert zusätzlich regelmäßige Audits, um die Einhaltung der Standards sicherzustellen. Diese Audits sind ebenfalls kosten- und zeitintensiv und erfordern ein hohes Maß an Vorbereitung und Dokumentation. Zusammenfassend geht die Implementierung des Standards mit einigen Herausforderungen einher, sie bietet aber klare Vorteile in Bezug auf Qualität, Wettbewerbsfähigkeit und Kund:innenzufriedenheit.

 

Warum sollte IHR Unternehmen „IATF 16949“ zertifiziert sein?

Im Bereich der Automobilindustrie stehen Sicherheit und Zuverlässigkeit von Fahrzeugen sowie die öffentliche Sicherheit im Vordergrund. Daher unterliegt die Branche strengen Qualitätsstandards und -anforderungen. IATF 16949 zertifizierte Unternehmen signalisieren Zuverlässigkeit und Qualität, was das Vertrauen Ihrer Kund:innen sowie deren Zufriedenheit erhöht. Durch konsequente Qualitätsmaßnahmen können Defekte vermieden oder frühzeitig erkannt werden, was wiederum zur Ressourcenschonung beiträgt. Solche Zertifizierungen sind oft eine Voraussetzung, um in den Lieferantenstamm aufgenommen zu werden, was Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Wenn alle Beteiligten in der Lieferkette einheitliche Qualitätsstandards einhalten, steigt das Vertrauen in den gesamten Beschaffungsprozess. Außerdem erleichtert die Harmonisierung der Qualitätsanforderungen den internationalen Handel, da Missverständnisse und Doppelzertifizierungen reduziert werden.

Schritt für Schritt zur IATF 16949-Zertifizierung

Um eine erfolgreiche IATF 16949-Zertifizierung zu erhalten, müssen Unternehmen mehrere wesentliche Schritte durchlaufen, die eine sorgfältige Vorbereitung, umfassende Planung und kontinuierliche Überwachung erfordern.

  • Vorbereitung: Zu Beginn muss ein Verständnis für die Anforderungen des Standards entwickelt werden. Mittels einer Gap-Analyse wird der Status Quo des Unternehmens erhoben und erforderliche Änderungen identifiziert.
  • Entwicklung: Aufbauend auf der Gap-Analyse wird ein detaillierter Plan für die weitere Vorgehensweise zur Implementierung entwickelt. Das Unternehmen muss zusätzlich ein von der IATF anerkanntes Unternehmen auswählen, das zu einem späteren Zeitpunkt das Audit durchführt.
  • Implementierung/Umsetzung: Die zuvor identifizierten benötigten Änderungen werden durchgeführt. Beispiele dafür sind die Entwicklung neuer Prozesse, Workshops/Schulungen für Mitarbeitende sowie die Einführung neuer und die Anpassung bestehender Systeme.
  • Internes Audit: Die benötigten Anforderungen werden nach Durchführung der Anpassungen intern geprüft, damit sichergestellt werden kann, dass diese einem externen Audit gerecht werden.
  • Externes Audit: Ein von der IATF anerkanntes Unternehmen wird beauftragt, alle relevanten Prozesse, Dokumente und Aufzeichnungen zu prüfen, indem sie mit den Anforderungen der IATF 16949 abgeglichen werden. Wenn das zu zertifizierende Unternehmen alle Anforderungen erfüllt, wird die Zertifizierung durch die akkreditierte Stelle vergeben. Werden Abweichungen festgestellt, muss das Unternehmen Korrekturen basierend auf den Empfehlungen der Akkreditierungsstelle durchführen und in einem Nach-Audit nachweisen, dass alle Anforderungen erfüllt sind, um schließlich die Zertifizierung zu erhalten. Das Zertifikat muss alle drei Jahre überprüft und neu vergeben werden.

 

Für die erfolgreiche Umsetzung in Unternehmen

Um eine erfolgreiche Umsetzung des Standards in einem Unternehmen sicherzustellen, sind bestimmte Maßnahmen und Strategien entscheidend. Die folgenden Tipps können Unternehmen dabei unterstützen, die IATF 16949 erfolgreich umzusetzen und gleichzeitig eine nachhaltige Qualitätskultur zu etablieren.

  • Top-Management sowie Mitarbeitende miteinbeziehen: Es sollten sowohl das Top-Management als auch die Mitarbeitende miteinbezogen werden. Das Management muss die Implementierung aktiv unterstützen, um eine Qualitätskultur auf allen Ebenen des Unternehmens zu fördern. Dafür eignet es sich, Schulungsprogramme zur Verfügung zu stellen, sodass das gesamte Team die Qualitätsstandards kennt und aufeinander abgestimmt gearbeitet wird.
  • Risikomanagement: Da die IATF 16949 den Fokus auf Fehlerprävention legt, sollte der Fokus auf das Risikomanagement gelegt werden. Die Identifikation potenzieller Risiken in frühen Phasen der Prozesse und präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlern und Ausfällen, sind daher unumgänglich.
  • Dokumentation: Es muss sichergestellt werden, dass alle Prozesse, Arbeitsanweisungen und Qualitätskontrollen genau dokumentiert werden. Eine gute Dokumentation erleichtert Audits und ermöglicht die Nachverfolgbarkeit. Ebenso empfiehlt es sich, interne Audits regelmäßig durchzuführen, um Schwachstellen frühzeitig zu erkennen.
  • Expert:innen einbeziehen: Es sollten Expert:innen, die über Kenntnisse zu IATF 16949 verfügen, mit einbezogen werden, um eine möglichst schnelle und reibungslose Implementierung gewährleisten und von den Vorteilen der IATF 16949 rasch profitieren zu können.

Zusammenarbeit: Es empfiehlt sich auch, eng mit den Zulieferern zusammen zu arbeiten, um sicherzustellen, dass sie die Anforderungen verstehen und unterstützen. Werden Audits bei Lieferanten durchgeführt, kann auch die Qualität der Zulieferteile gewährleistet werden.

Fazit

Qualitätsstandards steigern die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, indem Zuverlässigkeit und Sicherheit garantiert werden können und die globale Zusammenarbeit erleichtert wird.  Die IATF 16949 wurde entwickelt, um höchste Qualitätsansprüche, Prozessoptimierung und eine Null-Fehler-Philosophie zu gewährleisten. Dadurch können Wettbewerbsfähigkeit gesteigert, Kundenanforderungen präzise erfüllt und Risiken in der Lieferkette minimiert werden. Der Standard legt besonderen Wert auf eine proaktive Fehlervermeidung, ein starkes Risikomanagement und die Einbindung aller Beteiligten, von Mitarbeitenden bis zu Zulieferern. Eine erfolgreiche Implementierung erfordert Engagement, eine solide Planung und eine kontinuierliche Verbesserungskultur, um den Anforderungen der dynamischen Automobilbranche gerecht zu werden.

EFS Consulting unterstützt Sie dabei, die erforderlichen Prozesse und Strategien zu entwickeln, um die Anforderungen der IATF 16949 zu erfüllen, sodass Ihr Unternehmen sich als verlässlicher und wettbewerbsfähiger Partner auf globaler Ebene positionieren kann und Ihr nachhaltige Erfolg langfristig gesichert wird.

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