Dynamiken beim Dienstleister-Wechsel
Lorenz Wladar und Stefan Pachernegg sprechen von Hürden und Fallen beim IT-Dienstleister-Wechsel und bieten Lösungsansätze, wie man eine Transition erfolgreich begleitet.
Es begann als vielversprechender Tag Anfang letzter Woche. Die Erwartungen waren hoch und es lag Spannung in der Luft, während wir, die gesamte IT und ihre Service Manager, dem Change of Control entgegenfieberten. Die Entscheidung für einen neuen Dienstleister wurde nach gründlicher Analyse getroffen, das Team war zuversichtlich. Tag X war schlussendlich da, doch es traten die schlimmsten Szenarien ein: Systeme und Applikationen funktionierten nicht wie geplant. Jetzt war Feuer am Dach. Wo war der Fehler, was hatten wir falsch gemacht?
Schon bald nach dem Beginn des Transitionsprozesses machten sich die ersten Anzeichen von Problemen bemerkbar. Die Kommunikation zwischen dem Unternehmen und dem Dienstleister gestaltet sich schwierig. Klare Erwartungen sind nicht (genau) definiert oder werden falsch verstanden. Dies führt zu Verzögerungen und Frustration auf beiden Seiten. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass die technische Integration viel komplexer war als erwartet. Die IT-Teams arbeiten zwar unermüdlich, um Lösungen zu finden, aber der Zeitplan gerät bereits nach wenigen Tagen ins Wanken.
Währenddessen wächst der interne Widerstand gegen die Veränderung. Mitarbeitende, die sich unsicher fühlen und befürchten, dass ihre Arbeitsabläufe gestört werden könnten, äußern Bedenken. Ein Mangel an klaren Kommunikationskanälen verstärkt diese Bedenken und führt zu Gerüchten und Unruhe. Um die Situation noch zu verschärfen, stellen sich Sicherheitsbedenken heraus. Einige sensible Daten sind während des Übergangs gefährdet, was zu einem dringenden Handlungsbedarf seitens der IT-Sicherheitsteams führt. Dies lenkt weitere Ressourcen von anderen wichtigen Aspekten der Transition ab und verzögert den Prozess noch weiter.
Vielleicht nicht ganz so negativ, aber schon einmal erlebt? Insgesamt verlaufen Transitionen zu einem neuen IT-Dienstleistender selten reibungslos. Die Fehler sind aber, wie gerade erwähnt, schon lange davor passiert.
Wo sollte man demnach ansetzen, um eine reibungslose Transitionsphase zu gewährleisten und anschließend auch einen qualitativ hochwertigen Service zu kalkulierbaren Kosten zu erreichen?
1) Legen Sie die Basis für eine gelungene Transition bereits in der Ausschreibungsphase!
- Zielzustand nach dem Change of Control (CoC) sauber beschreiben: Technischer Umfang & Target Operating Model definieren
Eine fundierte Anforderungsanalyse und saubere Erfassung des relevanten Service Scopes im Rahmen der Vertragserstellung lassen wenig Interpretationsspielraum für Diskussionen während der Betriebsübergabe und danach. Genaue Zahlen zu wesentlichen Stellgrößen wie z.B. Applikationen und deren Nutzerzahlen, Umfang und Art von Servern & Datenbanken sowie Tickets und deren Lösungsraten helfen dem zukünftigen Dienstleister enorm den Leistungsumfang abzuschätzen. Bereits lange vor dem Übergang zu einem neuen Dienstleister ist es entscheidend, ein effektives Zielbetriebsmodell zu planen. Das Target Operating Model sollte klare Prozesse, Verantwortlichkeiten und Leistungskennzahlen umfassen, um eine reibungslose Zusammenarbeit sicherzustellen und die angestrebten Ziele zu erreichen.
- Grobe Eckpfeiler der kommenden Transition planen
Eine realistische Einschätzung der Transitionsdauer gibt sowohl dem Dienstleister als auch Mitarbeitenden genug Zeit betriebliche Anforderungen umzusetzen und helfen beim Einhalten von Transition Budgets. Klar definierte Kern-Lieferkomponenten wie etwa die Erstellung und/oder Ablage der Dokumentation, Knowledge Transfer Listen je ITIL-Bereich oder das Aufsetzen der Governance-, Reporting- und Eskalationsstrukturen bilden das Grundgerüst für jede Transition. Eine parallel dazu vereinbarte Pönalisierung der kritischen Lieferkomponenten ist ein guter Hebel, um sicherzustellen, dass ein zeitnaher Erfolg auch im Interesse des neuen ITSP liegt.
- Personalauswahl und Kompetenzen beachten
Ein Punkt, welcher oftmals stiefmütterlich behandelt wird, ist das Staffing und die Besetzung des Schlüsselpersonals. Achten Sie darauf, dass wesentliche Anforderungen, wie etwa technische und auch sprachliche Qualifikation ausreichend vorhanden sind. Nichts ist frustrierender als ein kompetenter Dienstleister, mit dem Sie nicht kommunizieren können.
2) Die sorgfältige, gemeinsame Planung und Durchführung der Ramp-up-Phase ist unerlässlich.
Ein Ansatz, der in dieser Phase zunehmend an Bedeutung gewinnt, ist der Co-Creation-Prozess. Bei diesem Ansatz arbeiten der Auftraggeber und der neue Dienstleister eng zusammen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln und innovative Ideen zu generieren. Schaffen Sie Klarheit und Einigkeit bezüglich des Ablaufes und der Erwartungshaltung für die Transitionsphase. Die gemeinsame, finale Detailplanung der Transition, um das Zielbild in eine Projektstruktur zu gießen, ist eine ideale Möglichkeit Schwächen im Transitionsplan zu erkennen.
Nun ist auch der richtige Zeitpunkt, das Onboarding der Mitarbeitenden vorzubereiten. Ein beidseitig dokumentierter und effizient gestalteter Onboarding-Prozess hilft Verzögerungen vorzubeugen. Prüfen Sie in dieser Phase gegebenenfalls nochmals das Dienstleister-Wissen, beispielsweise mithilfe einer Skill-Gap-Matrix; Nachbesetzungen oder Schulungen können so angeregt werden.
3) Gekonnte Projektsteuerung & ergebnisorientiertes Prüfen. Mit der Transitionsphase selbst folgt schlussendlich das Herzstück des Überganges.
- Proaktives Projekt Management
Proaktives Projektmanagement bedeutet, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und eigeninitiativ anzugehen, anstatt auf Reaktionen zu warten, wenn Probleme auftreten.
Ein wichtiger Schritt im proaktiven Projektmanagement ist eine umfassende Risikoanalyse. Durch die Identifizierung möglicher Risiken wie Datenverlust, technische Schwierigkeiten oder Verzögerungen können Maßnahmen ergriffen werden, um eben diese Risiken zu mindern oder zu vermeiden. Dabei ist es wichtig, nicht nur offensichtliche Hindernisse zu berücksichtigen, sondern auch potenzielle Auswirkungen von unvorhergesehenen Ereignissen zu bewerten.
Darüber hinaus ist es wichtig, die zeitliche Abfolge der verschiedenen Aktivitäten in der Transitionsphase zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass die benötigten Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt verfügbar sind. Eine durchdachte Bedarfsplanung ermöglicht es, potenzielle Engpässe zu identifizieren und vorherzusehen, welche Ressourcen benötigt werden, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.
- Transparenz: Kommunikation / Information
Beim Wechsel des IT-Dienstleisters ist Transparenz in der Kommunikation und Information von großer Bedeutung. Sowohl der bisherige als auch der neue Dienstleister müssen offen und klar kommunizieren, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Dies umfasst die Offenlegung von Vertragsdetails, Service-Level-Vereinbarungen, technischen Spezifikationen sowie möglichen Risiken und Herausforderungen während des Wechselprozesses.
Steuern Sie organisatorischen Problemen wie etwa fehlenden IT-Zugriffsrechten für den neuen Dienstleister durch zielgerichtete Kommunikation entgegen. Gegebenenfalls können interne Eskalationen helfen Entscheidungswege und Prozesse zu verkürzen.
Eine transparente Kommunikation trägt dazu bei, Missverständnisse zu vermeiden, das Vertrauen zwischen allen Parteien zu stärken und letztendlich den Erfolg des Dienstleisterwechsels zu unterstützen.
- Kontrolle / Revisionssicherheit: dokumentierte Abnahmen
Achten Sie auf eine detaillierte Dokumentation von kritischen Abnahmekriterien zur Kontrolle und Revisionssicherheit. Diese dokumentierten Abnahmen stellen sicher, dass der Übergang reibungslos verläuft und alle vereinbarten Leistungen ordnungsgemäß erbracht werden. Sie dienen als Nachweis für die Erfüllung vertraglicher Vereinbarungen und ermöglichen es, eventuelle Unstimmigkeiten oder Probleme nachvollziehbar zu lösen.
Scheuen Sie sich nicht davor die vereinbarte Pönalisierung bei Nichtabnahme von kritischen Lieferkomponenten einzusetzen. Nur wenn der Dienstleister um seine Mängel Bescheid weiß, kann er aktiv entgegensteuern.
Quality Gates an strategischen Abschnitten der Transition helfen, um Phasenübergänge abzugrenzen und erste Teilerfolge zu feiern. Mit dem Übergang zur Know-How-Transfer- bzw. Shadowing Phase sind Sie Ihrem Ziel schon ein gutes Stück näher. Auch hier gilt es Ergebnisse zu prüfen und gegebenenfalls Prioritäten neu zu ordnen.
- Kommunikation, Kultur & Positives Mindset
Ein effektives Stakeholder-Management ist ein entscheidender Aspekt während des Übergangs zu einem IT-Dienstleister und erfordert ein positives Mindset, um erfolgreich zu sein. Durch die Einbindung und aktive Kommunikation mit allen beteiligten Interessengruppen können potenzielle Konflikte vermieden und Synergien geschaffen werden. Ein positives Mindset ermöglicht es überdies, Herausforderungen als Chancen zu betrachten und Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse aller Stakeholder berücksichtigen. Dies fördert nicht nur eine reibungslose Transition, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen dem Dienstleister und seinen Kund:innen sowie anderen involvierten Parteien.
- Flexibilität: Zielerreichung wichtiger als starrer Plan
Beim Wechsel eines Dienstleisters ist es häufig wichtiger die Ziele zu erreichen als strikt an einem starren Plan festzuhalten. Flexibilität bei der Planung ermöglicht es, sich dynamisch an neue Anforderungen anzupassen und unvorhergesehene Herausforderungen zu bewältigen.
Eine Fokussierung auf betrieblich notwendige Inhalte beim Wissenstransfer kann etwa die Chance auf den pünktlichen Change of Control erhöhen, darf aber nicht als Ausrede verwendet werden, andere Transitionsteile wie die Dokumentation oder Inventarisierung zu vernachlässigen.
Vermutlich werden noch weitere individuelle Probleme auf Sie zukommen, welche selbst die beste Planung nicht vorhersehen konnte. Versuchen Sie so pragmatisch wie möglich zu agieren, denn ein weiteres Merkmal haben alle IT-Transitions gemeinsam: Keine ist wie die andere. Das sagte auch der Kollege des neuen Dienstleisters in der Cafeteria zu uns, bevor er zu einer kurzen Runde Small Talk ausholte. Anschließend fragte er, offensichtlich rhetorisch, da er die Antwort ohnehin wusste, wie denn der Betrieb nun laufen würde und sich das neue Team eingespielt hätte. „Ausgezeichnet“ antworteten wir fast im Tenor. Es war bereits fünf Tage nach dem Change of Control. Diesmal hatten wir alles richtig gemacht.